Umgestaltung des Areals der Willy-Brandt-Anlage (WBA) – offener Brief

10. September 2019 | von Kamran Salimi | Kategorie: Allgemein

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

die Umgestaltung der WBA ist eine große Chance für Fürth. Sie ist für uns alle verbunden mit der Hoffnung auf eine zukunftsweisende Stadtplanung. Nach Jahren der finanziell en Konsolidierung der Stadtfinanzen stehen ausreichend finanzielle Mittel für eine vorbildliche Stadtteilentwicklung zur Verfügung. Erstmals soll es eine strukturierte Bürgerbeteiligung geben.

Das architektonisch repräsentativste Viertel der Stadt rund um die Hornschuchpromenade und die Königswarterstraße soll künftig eine Gestaltung erfahren, die seiner historischen Bedeutung würdig ist. Dies gilt ganz besonders in Hinblick auf die gewünßchte nach außen sichtbare Förderung des Tourismus in Fürth. Ansprechend gestaltete und zum Flanieren einladende Grünflächen sollen in Innenstadtnähe eine Wohlfühl-Oase für Jung und Alt kreieren. Der emissionsfreie Fuß- und Radverkehr soll eine attraktive und sichere Verbindung in die angrenzenden Viertel bekommen.

Wir teilen diese kommunizierten Zielvorstellungen und möchten Sie bei der Umsetzung dieser Versprechen gerne unterstützen.

Der WBA kommt eine übergeordnete Bedeutung für die Lebensqualität in unserer Stadt zu. Eine eindimensionale Umdeutung und Reduzierung der Gestaltungsziele auf die Frage, wie weit man als Anwohner oder Kunde künftig zu einem Autoparkplatz im öffentlichen Raum laufen muss, geht an der Zielsetzung des Projektes vorbei. Der Wunsch nach vielen Autostellplätzen im Areal ist mit dem von Ihnen selbst hochgehaltenen Ziel des Baumschutzes unvereinbar; dies hat die Verwaltung in der Vorlage zum Bauausschuss vom 7.2.2018 bereits überzeugend nachgewiesen. Die Sorge Gewerbetreibender erscheint auf den ersten Blick verständlich, trifft aber bei genauerer Betrachtung nicht zu. Stadtplaner wissen längst aus Studien, dass Verkehrsberuhigung bzw. autofreie Zonen tendenziell Kaufkraftvorteile für das ansässige Gewerbe bringen. Für mobil eingeschränkte Personen werden spezielle Regelungen vorgesehen. Erfolgreiche Stadtentwicklungsprojekte in Amsterdam, Kopenhagen, Freiburg, Oslo und Wien möchten wir als Vorbild für Fürth und damit auch die Umgestaltung der WBA berücksichtigt wissen.

Passenderweise führte Willy Brandt als Namensgeber der WBA den Begriff „Lebensqualität“ in den deutschen Sprachraum ein. Um in einem Projekt mit Bürgerbeteiligung eine Steigerung der Lebensqualität in der Stadt zu erreichen, bedarf es Zweierlei: Erstens können Bedürfnisse und Wünsche von Anfang an in einen öffentlichen Diskussionsprozess eingebracht werden, was nach unserer Beobachtung bislang jederzeit gewährleistet war. zweitens sind diese dann vor einer politischen Beschlussfassung im Rahmen der Zielsetzung des Projekts von professionellen Stadtplanern zu bewerten. Sie verwenden dafür zahlreiche Aspekte wie Architektur & Stadtbild, Aufenthaltsqualität & Freizeitwert, Barrierefreiheit, Flächeneffizienz, Grüngestaltung & Baumschutz, Lärmreduktion, Luftreinhaltung, Verbesserung des Verkehrsmix und Verkehrs­ Sicherheit. Nur wenn allen diesen Kriterien Rechnung getragen wird und nur wenn auch die Gesamtbevölkerung diesbezüglich profitiert, lässt sich eine große Investition Öffentlicher Gelder in ein Stadtgebiet vertreten.

Wir wollen alle ein lebendiges Stadtviert I, in dem mit kurzen Wegen Arbeit und Wohnen vereint werden. Die Umgestaltung der WBA birgt die einmalige Chance, zukunftsfähige Lebensqualität modellhaft in der architektonischen Visitenkarte der Stadt umzusetzen.

Deshalb wenden wir uns in diesem Brief an Sie und bitten Sie, das Projekt so weiter zu führen, wie es Ihren anfänglichen Plänen und unseren gemeinsamen Hoffnungen und Zielen entspricht: Zurück zu einem strukturierten Prozess sind Einzelinteressen und -vorschläge zunächst wie oben dargestellt stadtplanerisch ganzheitlich zu bewerten und erst danach qualifiziert politisch zu entscheiden. Detailliert finden Sie diese Vorgehensweise in der Anlage 1 mit wesentlichen Leitkriterien in der Anlage 2. Wir verstehen dies im Sinne Ihrer Worte der Auftaktveranstaltung, dass diese Umgestaltung wegweisend sein und für die nächsten fünf Jahrzehnte Bestand haben wird.

Wir sind wie Sie auch zu Beginn dieses Projektes der Überzeugung, dass wir bei Berücksichtigung dieser Aspekte einer zukunftsweisenden Stadtplanung den künftigen Nutzern und der ganzen Stadt langfristig besser dienen werden.

Wir brauchen dringend den Mut, das, was für die Stadt in Zukunft wichtig wird, bereits heute zu berücksichtigen. Nur dann macht eine aufwändige Umgestaltung eines Stadtteils Sinn und nur dann sind die dabei anfallenden Kosten auch zu rechtfertigen. Auf diesem Weg möchten wir Sie mit unseren konkreten Verbesserungsvorschlägen konstruktiv und mit Gewinn für unsere Stadt Fürth erfolgreich begleiten.

Mit erwartungsvollen Grüßen

Helga Balletta, 1. Vorsitzende Interkultureller Garten Fürth e.V.
Gaby Balling, Sprecherin Greenpeace Metropolregion Nürnberg
Lothar Berthold, Verkehrsclub Deutschland Ortsgruppe Fürth
Frank Braun, Gründer und Vorstand BluePingu e.V.
Ulla Dürr, Diakonisches Werk Fürth
Matthias Egersdörfer, Anwohner und freischaffender Künstler
Maria Fontana-Eberle, 1. Vorsitzende Netzwerk Kinderfreundliche Stadt e.V.
Dr. Verena Friedrich M.A., Kunsthistorikerin
Andre Hermany, katholischer Dekan Fürth
Dr. Thomas Heyden, 1. Vorsitzender des Vereins Wir sind Fürth e.V.
Olaf Höhne, 1. Vorsitzender Allgemeiner Deutscher Fahrrad Club Fürth
Dr. Christofer Hornstein, Sprecher AG Stadtentwicklung Altstadtverein e. V.
Elisabeth Imholz & E. . L. Vogel, Anwohnerinitiative Historische Eisenbahntrasse
Karin Jungkunz, Stadtheimatpflegerin der Stadt Fürth
Wolfgang König, stv. Vorsitzender des Behindertenrates der Stadt Fürth
Michael Lang, Eine-Welt-Laden Fürth e.V.
Claudia Oehm, Ressortleiterin Fürth Geschichte Für Alle e.V.
Barbara Ohm, Historikerin und ehem. Stadtheimatpflegerin
Manfred Rühl, 1. Vorsitzender ACE-Autodub Europa Kreis Fürth-Erlangen
Reinhard Scheuerlein, 1. Vorsitzender KG Fürt h-Stadt des BUND Naturschutz
Jörg Sichelstiel, evangelischer Dekan Fürth
Stephan Stadlbauer, Sprecher Sozialforum

* Anlage 1 & 2

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